Hamburger Abendblatt, Norderstedt Beilage 20.10.2015
Südafrika Künstler gründeten Kunst- und Webschulen in Swasiland
Von Heike Linde-Lembke
Im Ezulwini-Tal, im Tal des Himmels, dort, wo die edlen Könige begraben werden, dort gründeten Albert Christoph Reck und seine Ehefrau Maria-Louise ihre erste Schule, dort im fernen Swaziland. Sie wollen ihr Wissen nicht in ihrer norddeutschen Heimat weitergeben, sondern es dorthin bringen, wo es Menschen eine Perspektive für ihr Leben gibt.
Sie wollen die Menschen in deren Heimat fit für den eigenen Lebensunterhalt machen und sie vom Tropf europäischer Hilfsorganisationen befreien. Albert Christoph und Maria-Louise Reck gründeten eine Sommerschule im südafrikanischen Swasiland. Das war 1969 im Homeland Ciskei.
Es sollte nicht die einzige Schule bleiben, denn das Ehepaar, das sich 1961 ein Haus in Henstedt-Rhen gebaut hatte, fühlte sich mit den bald sieben Kindern in Südafrika rasch zu Hause. Und: Reck lehrte den Einheimischen nicht nur Malen und Zeichnen, er lernte auch von ihnen, von ihrem Sinn für prachtvolle Farben, ihrem untrüglichen Gespür für Linien, Formen und Figuren, von ihrer Art, Trauer mit Frohsinn und Zuversicht zu tragen.
Albert Reck hatte 1953 eine Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle
In Hamburg waren dagegen turbulente Zeiten voraus gegangen: "Ihr könnt mich alle mal..." rief Albert Christoph Reck 1951 in seine Klasse und türmte. Der heute 93-Jährige regte sich derart über die Arroganz und Abgehobenheit seiner Kommilitonen, darunter Vicco von Bülow und Horst Janssen, an der Landeskunstschule Hamburg in der Klasse Alfred Mahlaus auf, dass er seine Sachen packte.
Statt sich weiter im Hamburger Künstler-Karussell zu drehen, wollte er seine Kunst anderen Menschen vermitteln und sie unterstützen, mit dieser Kunst ihren Lebensunterhalt zu verdienen und selbstständig zu werden. Am besten jenen, die kurz davor waren, vor lauter Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat nach Europa zu fliehen. Schon damals. Vor allem damals, in der Zeit der Apartheids-Diktatur.
Albert Christoph Reck hatte 1953 noch eine Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, 1954 heiratete er seine Maria-Louise, mit der er Afrika erobern wollte. Doch so ein Abenteuer will genau geplant werden, und daher baute Albert Christoph Reck seiner schnell wachsenden Familie erst einmal ein Haus in Henstedt-Rhen, bevor er mit einem Schiffsreise-Stipendium erstmals nach Südafrika aufbrach und das Terrain erforschte. 1963 zog die ganze Familie gen Süden, mit den Töchtern Eleonora Maria, Genoveva und Marie-Anna Alexandra, mit den Söhnen Christoph Adolph, Michael Bonaventura und Bernhard Valentin.
Reck studierte Pädagogik in Hamburg und machte 1969 sein Lehrer-Examen
1964 wurde Reck als Dozent an die School of Art in Johannesburg berufen. Doch er beobachtete, dass der Kultur- und Kunstunterricht nicht nur in Johannesburg dringend war, sondern vor allem auf dem Land. Wieder orientierte er sich neu und baute 1969 mit seiner Ehefrau die Sommerschule in einer alten leer stehenden Katechistenschule, einer Missionsschule im Homeland Ciskei, auf.
Doch ein Maler-Genie muss noch lange nicht gut unterrichten können. Reck kehrte nach Deutschland zurück, studierte Pädagogik und machte 1969 sein Lehrer-Examen. Als Dozent an der Fachschule für Sozialpädagogik in Hamburg holte er sich den letzten Schliff. Und wurde wieder Vater: Die Tochter Renata Eleonora kam 1969 zur Welt, Viktoria Jadwiga 1974.
Zwei Jahre später war es endlich soweit. Die Recks verkauften ihr Haus und segelten auf einem selbst umgebauten Kutter nach Südafrika. Neun Monate lang. 1977 eröffnete Maria-Louise Reck eine Weberei mit Schule im Ezulwini-Tal in Swasiland. Zwei Jahre später folgte das "Art and Craft Center" in Ngwenya. Sie waren angekommen, zumal ihnen die Bürger von Ngwenya und der umliegenden Dörfer begeistert beim Aufbau der Schulen halfen.
Für junge Afrikaner eröffneten die Recks Studios mit Werkstätten in Ngwenya
Doch Stillsitzen und erst einmal unterrichten, das war nicht Recks Sache. Gleichwohl er nebenbei malte, was ihm vors Auge kam, eröffnete er für junge Afrikaner Studios mit Werkstätten in Ngwenya. "Wir sahen, dass diese jungen Menschen kreativ sind, dass sie eine unglaubliche Schöpferkraft haben, das wollten wir fördern und mit Unterricht in gezielte Bahnen lenken", sagt Reck.
Sie dehnten ihre Schulen sogar bis Florida aus und schickten zwölf junge Weberinnen nach Tampa in Florida, um 22 Wandbehänge nach Entwürfen des amerikanischen Malers Ronald Renmark zu weben. Heute sind sie auf dem Flughafen von Tampa zu sehen. Ein Riesen-Erfolg für das rege Künstler-Ehepaar. Prompt gründeten sie in Ngwenya ihre nächste Schule, die "Endlotane Studios".
200 Schülerinnen und Schüler aus den umliegenden Dörfern werden heute dort unterrichtet. Genoveva Reck-Thomas hat die Schule besucht und 25 Gymnasien der Region vernetzt. "Ziel ist es, dass die Kinder Umwelt und Natur, Kunst und die Kultur schätzen lernen," sagt sie. "Es sind oft Kinder, die vernachlässigt werden, und wir wollen ihnen den Weg zu einem Studium ebnen", sagt Reck-Thomas und erzählt von Goeffrey aus Ngwenya, der jetzt die Kobe-Schule begeistert leitet. "Er macht das, weil er als Kind nie eine Schule besuchen durfte", sagt die Reck-Tochter.
Sogar Hildegard Hamm-Brücher hat einen großen Teppich bei Recks gekauft
In der Webschule werden einheimische Motive in die Textilien eingearbeitet, beispielsweise die Felsmalerei, die 1976 in den Hämatit-Eisenerz-Minen entdeckt wurden, die als älteste Eisenerz-Minen der Welt gelten und Weltkulturerbe sind. Auch Quarze werden aus diesen Minen gewonnen, Quarze, aus denen die Einwohner seit Urzeiten die Farben für ihre Körperbemalung extrahieren. Ngwenya war und ist auch ein Glasmacher-Zentrum, und so arbeiteten auch die Recks teilweise mit diesem Material. "Es war mein Traum, diese Region und vor allem ihre Menschen zu fördern und zu begeistern, dort in ihrem Land zu bleiben", sagt Albert Reck und erzählt von der Löwenhöhle in den Minen, die auch ein Kriterium war, die Region als Weltkulturerbe auszuzeichnen.
"Unser Mittelpunkt aber war die Teppichweberei meiner Frau", sagt er schließlich, blickt seine Maria-Louise mit leuchtenden Augen an und erzählt begeistert: "Sogar Hildegard Hamm-Brücher hat einen großen Teppich bei uns gekauft, als sie uns als Staatsministerin besuchte und Geld für den Aufbau der Kunstschule bewilligte."
Rasch erarbeitete sich die Reck-Schule weltweit einen guten Ruf, eben bis Florida, wurde zur Touristen-Attraktion, bis der König eine Autobahn quer durch das Gebiet bauen ließ und der Tourismus einbrach. 2009 bis 2012 haben die Recks ein Projekt für den Raubbau in den Minen gestoppt, um die einmaligen Felsmalereien zu erhalten. "Dafür wurden wir auch von der Zulu-Queen, der Schwester des Königs, empfangen", sagt Maria-Louise Reck und strahlt immer noch über den Erfolg.
Die Kobe-Schule soll in ZukunftAlbert-Christoph-Reck-Schule heißen
Doch nicht nur Kunst und Kultur waren Thema im Unterricht, auch die Vermeidung von Aids. "Die jungen Frauen brauchen ein neues Bewusstsein, denn sie sind die eigentlichen Kulturträgerinnen", sagt Genoveva Reck-Thomas, um gleich darauf zu verraten, dass ihr Vater gern mit eben diesen jungen Mädchen tanzte. Ihm soll jetzt eine große Ehre zuteil werden: Die Kobe-Schule soll in Zukunft Albert-Christoph-Reck-Schule heißen.
"Das ehrt mich sehr", sagt Reck und setzt nach: "Aber ich will auch Brücken bauen und die Kobe-Schule mit dem hiesigen Alstergymnasium verbandeln, und wenn wir einen Schüleraustausch erzielen, wäre das für mich die Krönung."