Hamburger Abendblatt vom 15.02.2003
Der Maler, den sie Seemann nennen
15.02.2003, Helmut Söring
Aus seinen Schülern wurden Meister. Albert Christoph Reck war der Lehrer von Vicco von Bülow und Horst Janssen.
Sie nannten ihn Seemann. Den Spitznamen hatte er weg, seit er zum Zeichnen in Alfred Mahlaus inzwischen legendärer Grafik-Klasse in der Landeskunstschule am Lerchenfeld stets mit dem Elbsegler
auf dem Kopf erschien: Albert Christoph Reck. Gut fünf Dezennien ist das nun her. Aus den Schülern sind Meister geworden, ob unter eigenen oder Künstlernamen wie die Adligen der Klasse, Jörg von
Morgen ("Markus") und Vicco von Bülow ("Loriot"). Oder Gisela Röhn, Peter Neugebauer, Herbert Grunwaldt und Gisela Bührmann. Oder der Genialste der Klasse, Horst Janssen. Albert Christoph Reck
wurde unlängst 80. Den Seemann trieb es am weitesten in der Welt umher. Der gebürtige Oberschlesier fuhr zunächst auf Handelsschiffen, dann kam die Kriegsmarine mit Einsätzen im Schwarzen Meer.
Als der 26-Jährige 1948 zu Mahlau nach Hamburg kam, fand er stets am Wasser - auf Finkenwerder und auf St. Pauli - ein Zuhause. Und segelte. Und ließ sich beim Malen inspirieren. Wenn die
Magnolia Jazzband, in der Jörg von Morgen Trompete und Peter Neugebauer das Schlagzeug spielten, für ihre dienstagabendlichen Auftritte im "Handtuch" oder später Winterhuder Fährhaus in der
Kunsthochschule übten, saß Reck dabei und improvisierte dazu mit seinen Farben auf Leinwand und Papier. Nicht von ungefähr nannte ihn einmal, als er längst arriviert war und die Kunsthalle ihn
zusammen mit Franz Radziwill ausstellte, ein Kunsthistoriker einen "Vater der Neuen Wilden". Studien im englischen Nottingham und an der Ecole des Beaux Arts in Paris blieben Stationen auf dem
Lebensweg, den er einmal - auch künstlerisch - mit einem Ritt über den Bodensee verglich. In den frühen 60ern hatte er schon einmal mit dem Schiff Afrika umrundet, ließ sich dann mit seiner Frau
Marie-Louise und den ersten seiner acht Kinder in Südafrika nieder und unterrichtete in Johannesburg Kunst. 1970 kehrte man nach Hamburg zurück, baute ein Haus in Rhen an der Alsterquelle, und
der Vater verdiente den Lebensunterhalt als Dozent an der Fachhochschule für Sozialpädagogik. "Der Reck", wie der Maler gerne von sich spricht, erkundete die Natur, sorgte dafür, dass der
Alsterlauf für Fahrradfahrer erschlossen wurde, und schrieb ein Buch, "Die kleine Naturkunde des Herrn A. C. Reck." Damit frönte er neben dem Zeichnen auch der Lust an der Sprache, die
kurioserweise so vielen Mahlau-Schülern wie Janssen, Loriot oder auch Neugebauer zu Eigen ist. Irgendwann aber spürte Reck, dass Afrika ihn rief. Er ist noch heute davon überzeugt. Also wurde das
Haus an der Alsterquelle verkauft und ein ausgedienter Lotsenkutter erstanden und vorwiegend in Eigenarbeit umgebaut. Das 18 Meter lange Schiff mit 186 Quadratmeter Segelfläche taufte er
"Inopoleku". Das ist polnisch und heißt auf Deutsch "Immer langsam voran". Mit fünf Kindern segelte er los; die Frau würde später nachkommen - sie wird leicht seekrank. Das Schlüsselerlebnis kam
in Swaziland. "Dort ging ich in die Berge an der Küste, und als ich in einem Strauch wunderbare Vögel entdeckte und sie singen hörte, hatte ich das Gefühl, ,die rufen dich'." Die Recks ließen
sich nieder, verkauften die "Inopoleku" und bauten eine Bildweberei auf, die sie "Phumalanga" nannten (deutsch: "Sonnenaufgang"). Er machte die Entwürfe, sie setzte sie um. Bald folgte ein "Art
and Craft Centre" mit Studios, Werkstätten und Ausbildungseinrichtungen für junge Afrikaner in Ngwenya, die beste Art künstlerischer Entwicklungshilfe. 25 Jahre ist das jetzt her. "Was die Recks
da unten auf die Beine gestellt haben, kann sich sehen lassen", sagt Professor Gerhard Kaufmann, der langjährige Direktor des Altonaer Museums. "Sie haben es geschafft, junge Afrikaner in die
künstlerische Arbeit einzubinden, sie selbstständig arbeiten zu lassen." Seit einiger Zeit leben die Recks wieder in Hamburg. "Das Knie ist der Grund", sagt der Maler, der sich hier ein
künstliches Gelenk machen ließ. Die Schaffenskraft hat nicht darunter gelitten. Seine Bilder sind deutlich von Afrika inspiriert. Und für die "Swazi Times" verfasst Reck regelmäßig Berichte für
die Wochenendbeilage. Sohn Bernhard verwaltet jetzt Phumalanga, und Tochter Genoveva, selbst Künstlerin, hat in der Karpfangerstraße auf St. Pauli das "Atelier Übersee", in der sie Tanz- und
Malkurse gibt und eigene - und des Vaters - Werke ausstellt. Albert Christoph Reck sucht ein eigenes Atelier, möglichst in der Nähe. Demnächst bekommt er eine Ausstellung: Die Katholische
Akademie am Herrengraben eröffnet am 23. März eine Retrospektive des "Seemanns".