Welt vom 1.8.2002
"Der Mann im Strom der Zeit hat sich zu bewähren" ...
... wie man in Afrika so sagt. Das Gesamtwerk des Hamburger Künstlers Albert Christoph Reck in der Galerie Kunststück Von Julika Pohle
Ein Abenteurer zwischen zwei Welten, so könnte man den Künstler Albert Christoph Reck bezeichnen. In Swaziland und Deutschland ist er zu Hause, beide Kulturen verbindet er in seinem Werk. Das
beweist jetzt eine Ausstellung in der Hamburger Galerie Kunststück, die ab heute für drei Wochen einen Querschnitt durch das Werk des 80-Jährigen zeigt. "In dieser Galerie habe ich die Aufgabe
gehabt, ein Kunststück zu vollbringen - nicht einzelne Werke, sondern ein ganzes Werk zu zeigen", beschreibt Reck seine Bemühungen, die Summe seines vielfältigen Schaffens den Hamburgern näher zu
bringen.
Der gemeinsame Nenner aller gezeigten Arbeiten ist Afrika, genauer Swaziland. 1962 gelangte Reck zum ersten mal in den Süden des Kontinents und verliebte sich in Land und Leute. Viele Künstler
haben sich von der Ursprünglichkeit der Landschaft, der Kultur und der Religion Afrikas inspirieren lassen, dem gebürtigen Oberschlesier, der inzwischen Hamburger geworden war, ging es nicht
anders. 1963 siedelte er zusammen mit seiner Familie nach Johannesburg um, lebte dort bis 1970 und kehrte später immer wieder zurück. In Südostafrika gelang es Reck und seiner Frau Maria-Louise,
ein Projekt zu initiieren, das der einheimischen Bevölkerung das künstlerische Arbeiten ermöglichte: Es entstand die Bildweberei "Phumalanga" (deutsch: Sonnenaufgang), heute von Sohn Bernhard
verwaltet, denn die Recks selbst halten sich inzwischen mehr in Hamburg als in Swaziland auf. Die Tapisserien, vom Künstler entworfen und von Swazi-Weberinnen umgesetzt, sind von leuchtender
Farbkraft.
"Der Mann im Strom der Zeit hat sich zu bewähren" heißt der große Teppich, der in der Galerie zu sehen ist. Kunstvoll aus Mohair-Wolle gewebt stellt er einen Mann im roten Gewand dar, der über
einem blauen Fluss mehr zu schweben als in ihm zu schwimmen scheint. Die Bäume im Hintergrund lassen an paradiesische Landschaft denken, sie wirken exotisch, sind jedoch weder Afrika noch Europa
klar zuzuordnen. Das gleiche gilt für den Mann selbst, der alterslos und gelassen aussieht. "Der Entwurf der Tapisserie ist von mir, aber Frau Kunene hat ihn gewebt", berichtet Reck, der
Swazi-Name bedeute soviel wie "Die Richtige da".
"Ex africa semper aliquid novi" nennt der Künstler einige ausdrucksstarke Gemälde in Farbstift und Grafit: "Aus Afrika kommt immer etwas Neues - aber nicht im europäischen Sinne", erläutert er
die dreiteilige Serie, "sondern immer ganz unerwartet". So war es auch mit dem "Green footprint of Eve", dem versteinerten Fußabdruck einer Ureinwohnerin, der in der Kalahari-Wüste gefunden
wurde. "And where is Adam?", fragte Reck in der Zeitung "Swazi Times", deren Redaktion er angehört. Da niemand ihm die Frage beantworten konnte, schuf er den ersten Menschen selbst. Der ist auf
dem Gemälde "Aufgetauchter Adam" zu sehen, charakterstarken Blickes sieht er aus dem Bild heraus und ähnelt in seiner Erscheinung dem Mann im "Strom der Zeit".
Wie stark Recks Gefühl für das Leben, die Kultur Südostafrikas ist, zeigen alle seine Bilder. "Bis hierhin bin ich afrikanisch", meint der Künstler, und deutet auf seine Hüfte, "und die Swazi
akzeptieren, dass meine andere Hälfte deutsch ist." Die afrikanischen Beine inspirierten ihn wahrscheinlich zu Gemälden wie "Choreografie des Tanzes". Sibakha nenne sich der dargestellte Tanz,
dynamisch sei er, und richtig: Die abstrakten Formen tanzen schwungvoll auf dem Blatt. Als erzählten sie von Abenteuern, die der Künstler erlebt hat.
© Axel Springer AG 2012. Alle Rechte vorbehalten